Kinder und die sozialen Medien
Bloggerin Halima nutzt häufig soziale Medien, ist aber nicht mit ihnen aufgewachsen. Bei ihren Kindern hat sie deshalb manchmal ein komisches Gefühl, wenn diese ganz selbstverständlich mit Tablet und Smartphone umgehen. In ihrem Gastbeitrag erzählt sie von ihren Erfahrungen und wie sie das Thema angeht.
„Ey, Du! Wie heißt Du auf Instagram?“ Ich gehe gerade über den Schulhof der Grundschule und zucke zusammen. Ein Viertklässler hat die Frage über den halben Schulhof gebrüllt. Das fängt also in der Grundschule schon an? Ich dachte, das hätte noch Zeit. Krass! „Ich bin nicht auf Insta“, antwortet der Angesprochene und ich bin ein bisschen beruhigt.
Am Abend frage ich mich, warum sich eigentlich ein Teil von mir wünscht, es möge noch sehr lange dauern, bis sich meine Söhne auf Social Media Kanälen tummeln. Ich nutze all diese Kanäle ja schließlich auch selber mit Begeisterung. Aber meine Kinder wachsen mit diesen Medien auf und für mich, die noch in Zeiten ohne Handys aufgewachsen ist, ist das etwas, das ich kritisch sehe, auch wenn ich diesen ganzen Dingen total offen gegenüberstehe. Warum?
Kommunikation gestern und heute
Von Opa und Oma bekommt man aus dem Urlaub nach wie vor eine Postkarte und die Schwiegermutter schickt zum Geburtstag keine Sprachnachricht, sondern eine Glückwunschkarte mit der Post. Sie alle nutzen zwar heute auch WhatsApp, E-Mails und gelegentlich sogar Online-Shopping, aber sie halten gleichzeitig an Post und Festnetztelefon fest. Das zeigt, dass wir in erster Linie das Kommunikationsmittel nutzen, mit dem wir aufgewachsen sind. Das prägt uns und unsere Art, zu kommunizieren. Das Kommunikationsmittel, mit dem meine Kinder aufwachsen, ist das Internet. Das ist schnell, bunt, wild und manchmal auch böse. Vor allem aber funktioniert Kommunikation häufig so, dass wir einfach nur einen Inhalt teilen. Wir senden ein Foto oder einen Text an Hunderte oder Tausende Menschen gleichzeitig, mit nur einem Klick. Und Minuten später haben wir unzählige Reaktionen darauf – oft mehr als wir verarbeiten können. Das stresst nicht nur, sondern ist gerade für Kinder mit Gefahren verbunden: Fotos können in falsche Hände geraten oder die Kinder gelangen auf Seiten, die nicht für sie geeignet sind.
Es ist wichtig, dass die Kinder lernen, damit umzugehen. Vielleicht haben sie es leichter, weil sie gleich damit aufwachsen, denn das ist eben heute ihre Art zu kommunizieren. Trotzdem bleibe ich dabei: Die Grundform der Kommunikation ist die von Angesicht zu Angesicht.
Deswegen mit den Kindern reden
Kinder müssen lernen, Emotionen zu verarbeiten und diese einzuordnen. Ich merke sofort, wenn meine Schwester weniger Smileys benutzt, als üblich. Ich kann den Ton von WhatsApp-Nachrichten meiner engsten Freunde und Familie deuten – ich spreche quasi „WhatsApp“. Aber nichts ersetzt uns den Blickkontakt und den Ton in einer vertrauten Stimme, wenn wir uns direkt gegenübersitzen und uns unterhalten. Deswegen sollen meine Kinder Kommunikation im direkten Kontakt lernen. Smartphones, Tablets und Co. werden hier bei uns großzügig gehandhabt; wir halten sie von unseren Kindern nicht fern. Aber dass wir uns zusammensetzen und miteinander reden, Zeit als Familie verbringen, ohne ständig auf ein Device zu gucken, das ist heute vielleicht wichtiger, als jemals zuvor.
Keine Frage, ich liebe mein Smartphone und lebe praktisch online. Blog, Facebook, Twitter, Instagram, Pinterest, Mails – kein Wunder, dass ich oft kritische Fragen zu meinem Online-Verhalten gestellt bekomme. Ich habe dann gute Antworten parat: Schließlich bringen mich all diese Social Media Kanäle auch mit Menschen in Verbindung. Meiner Meinung nach muss man aber differenzieren: Der Online-Kontakt zu Menschen, zu denen ich eine echte Beziehung habe, ist wertvoll. Der Kontakt zu einer Community von Menschen, von denen ich zum Teil noch nicht einmal ein Profilbild zu sehen bekomme, wäre spätestens dann kritisch, wenn er mir den echten Kontakt im analogen Leben ersetzt. Für meine Kinder sehe ich das alles noch viel kritischer.
Sozialer Druck durch schöne Scheinwelt
Wenn man zu Hause den Grundstein für ein Leben mit dem Netz legt, ist das sicher schon mal gut, aber die Social Media Kanäle erfordern ein dickes Fell. Nehmen wir mal Instagram: Da werden uns jeden Tag die schönsten, schlanksten, bestangezogensten Menschen präsentiert. Das kann Kinder extrem verunsichern.
Und dann sind da ja noch die fiesen Kommentare unter den eigenen Posts. Mobbing endet heute nicht mehr am Schultor, sondern geht am Nachmittag online erst richtig los. Müssen wir unsere Kinder also vom großen bösen Internet fernhalten? Ich meine nein! Aber wir müssen sie begleiten und für Gefahren sensibilisieren. Eigentlich genau so, wie wir sie auf das analoge Leben vorbereiten.
Es war so selbstverständlich, als sie klein waren: Ich habe meinen Kindern den ganzen Tag in die Augen gesehen. Ich habe sie gestillt und im Arm gehalten. Auch mit größeren Kindern kann man diesen Weg weitergehen, indem man ihnen echte Aufmerksamkeit gibt, echte Gespräche führt. und indem man immer ansprechbar ist und auch kritische Dinge offen ausspricht. Das macht sie stark für das Leben da draußen, auch für das Leben im Netz. Attachement Parenting 2.0 sozusagen.
Einfache Regeln
Das Internetverhalten fängt bereits mit der Art und dem Umfang der Nutzung an. Bei uns gibt es ein paar einfache Grundregeln:
- Keine Geräte beim Essen: Handys und Co. werden vor den gemeinsamen Mahlzeiten an einem Platz abgelegt, an dem sie nicht zu erreichen sind, ohne vom Tisch aufzustehen.
- Kein Checken von Nachrichten etc. in den "Rush Hours". Wenn wir abends die Kinder ins Bett bringen und wenn wir uns morgens alle fertig machen, werden nicht schon nebenbei im Stehen Mails gelesen und beantwortet.
- Immer ansprechbar bleiben: Wenn ein Kind uns anspricht, dann sehen wir von unserem Device auf bzw. legen es weg und hören dem Kind aufmerksam zu – der direkte Kontakt ist wichtiger.
- Die Kinder haben bei uns begrenzte Zeit, an Smartphone und Tablet zu spielen. Allerdings stehen wir auch nicht mit der Stoppuhr daneben, sondern lassen auch mal ein paar Minuten mehr zu, anstatt sie mitten aus etwas herauszureißen.
- Für die Eltern: Die Kinder nicht mit dem Handy alleine lassen.
- Auch wichtig: Den Kindern erklären, was man selber gerade mit dem Gerät macht.
So schafft man bei den Kindern das Verständnis dafür, dass die Eltern das Gerät sinnvoll nutzen.
Wenn unsere Kinder ihr eigenes Smartphone besitzen, müssen wir die Regeln anpassen, um zum Beispiel den Umgang mit einzelnen Apps zu regeln. Dann kommen ganz andere Gefahren auf uns zu. So weit sind wir noch nicht, aber wir werden da mit unseren Kindern reinwachsen. So wie ins Leben 1.0.
Zur Autorin
Halima (Mia) ist 38 Jahre alt und lebt mit zwei Kindern (7 und 5 Jahre) und ihrem Mann im Rheinland. Sie schreibt auf ihrem Blog „Mama Mia“ über Themen wie Familie, Kinder und ihren Alltag als Mama und Bloggerin. Dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Schonungslos und euphorisch schreibt sie über das Leben, die Liebe, Glück und Sorgen und wie sie den Alltag mit ihren beiden Söhnen meistert.