Wie schlimm ist ein blauer Fleck?
Gastbeitrag von Marie-Luise Lewicki
Junge Eltern können es heute der Gesellschaft nie recht machen: Hält die Mama ihr Kind auf dem Spielplatz fest, wenn es von der Mauer springt, gilt sie als überbehütende Helikopter-Mutter: Schlägt sich das Kind mal das Knie auf, ist aber Mama auch schuld: Warum hat sie nicht besser aufgepasst? Wie kommt man raus aus dieser Falle?
Unsere Eltern hatten es einfacher. Kamen wir mit aufgeschlagenen Knien vom Rollschuh-Laufen, gab es eine Ermahnung für die zerrissene Strumpfhose und ein kratziges Pflaster (nein, keines mit Disney-Figuren...). Dann kehrte Mama zur Hausarbeit zurück, und keinem Nachbarn oder anderen Beobachter wäre es eingefallen, sie verantwortlich zu machen für unser Missgeschick. Kinder tun sich halt mal weh. Ende der Nachricht. Schließlich hatte jeder Familie, und alle die gleichen Erfahrungen.
Heute ist das anders. Junge Eltern stehen unter Beobachtung, und oft genug unter Generalverdacht. Denn in den Augen der Öffentlichkeit (leider auch mitunter in denen anderer Eltern) tun sie entweder zu viel oder zu wenig für ihre Kinder. Aber nie das Richtige.
Das Einjährige stolpert bei den ersten Schritten und schlägt sich das Händchen auf? Ganz klar, Mama ist schuld. Warum hat sie nicht besser aufgepasst? Der Vierjährige haut seinem Kindergartenfreund eine Schaufel auf den Kopf. Ganz klar: Die Eltern sind schuld. Warum ist er auch so aggressiv? Der Sechsjährige kriegt das Gedicht in der Schule nicht mehr zusammen. Ganz klar: Warum kümmern sich seine Eltern nicht?
Zur Autorin
Marie-Luise Lewicki ist Chefredakteurin der „ELTERN“-Gruppe bei Gruner und Jahr AG & Co. KG und Mitglied im Beirat der AXA Kindersicherheitsinitiative.